Freitag, 1. Januar 2016

Dankbarkeit

Ein schwieriges Thema, wie ich finde, ist die Dankbarkeit.
Grundsätzlich bin ich ein netter Mensch. Ich gebe gern. Und helfe gern. Bin im Gegensatz auch dankbar für jede Hilfe.
Natürlich! Wer ist das auch nicht!

Wieso ich überhaupt darüber nachdenke...
Letzte Woche war ich, wie so oft mal wieder, in der Klinik. Monitoring die Fünfte, Lumbalpunktion die Dritte. ☺
Ich hatte einen wirklich netten Bettnachbarn, mit dem ich mich auf Anhieb super verstanden habe.
Eines Morgens kam ich vom Bad zurück ins Zimmer und sah meinen Bettnachbarn wild an seinen Elektroden rumzupfen. Er hatte einen Anfall. Einen grossen Anfall :(
Natürlich habe ich sofort meine Siebensachen auf die Seite geworfen und mich um ihn gekümmert. Ihm geholfen. Ihn ins Bett zurück verfrachtet, mit ihm gesprochen, ihn beruhigt, gleichzeitig alle Notfallknöpfe gedrückt und war für ihn da, bis eine Schwester kam. Die dann allerdings nicht viel getan hat ausser mir zuzugucken.
Vor lauter Aufregung, für mich ist diese Sicht der Dinge schliesslich nicht alltäglich, habe ich dann prompt selbst einen Anfall bekommen, auch einen grossen Anfall, so wie mein Nachbar, scheisse!
Na super! Aber war ja klar!

Einen Tag später bekam ich dann nach der ärztlichen Auswertung der Videoaufzeichnungen, Monitoring bedeutet ja 24 Stunden Überwachung via Kamera und Mikrofon, ein grosses Lob und ganz viel Dank. Von allen Ärzten. Weil sie meine Hilfsversuche auf den Aufzeichnungen verfolgen konnten, gesehen haben und begeistert waren. Weil sie noch nie jemanden mit so viel Mitgefühl und ehrlicher Menschlichkeit haben helfen sehen.
Natürlich habe ich mich darüber riesig gefreut.
Wer wird schliesslich nicht gern gelobt!?

Andererseits - meine Freundin macht genau das seit acht Jahren fast jeden Tag bei mir und nicht nur einmal am Tag. Und irgendwie interessiert sich dafür niemand so wirklich. Geschweige denn dass sie dafür gelobt wird. Wieso auch! 
Aber eigentlich ist es ja auch egal was sie tut. Denn wen sollte das genaugenommen überhaupt interessieren?
Wer sollte dafür sonst noch dankbar sein?
Ich sollte es. Und bin es natürlich auch!

Nur - ich krieg davon ja nichts mit. Schliesslich stecke ich in einem Anfall fest. Bewusstlos. Planlos.
Und sollte ich wirklich dankbar sein?
Das klingt irgendwie böse. Aber ich will nicht falsch verstanden werden. Ich bin dankbar! Und froh! Über jeden der mir hilft, jeden der mich unterstützt, jeden der bei mir ist!
Aber mal ehrlich und trotz allem - ich habe mir diese Krankheit nicht ausgesucht. Ich kann einfach nichts dafür, dass ich an Epilepsie erkrankt bin.
Und selbstverständlich will ich alles, nur keine Anfälle haben!
Natürlich ist es toll, wenn mir geholfen wird und natürlich bin ich gerührt und glücklich viele Menschen um mich herum zu haben, die für mich da sind!

Aber einfach keine Epilepsie haben zu müssen und nicht dankbar sein zu müssen für etwas, was ich so nicht bestellt habe, wär mir ehrlich gesagt bedeutend lieber! 
Hmmm... schon kompliziert das Ganze. Ich glaube ich denk mal weiter darüber nach und schreibe es euch dann wenn ich zu einem Schluss gekommen bin, oder?