Ein schwieriges Thema, wie ich finde, ist die Dankbarkeit.
Grundsätzlich bin ich ein netter Mensch. Ich gebe gern. Und helfe gern. Bin im Gegensatz auch dankbar für jede Hilfe.
Natürlich! Wer ist das auch nicht!
Wieso ich überhaupt darüber nachdenke...
Letzte Woche war ich, wie so oft mal wieder, in der Klinik. Monitoring die Fünfte, Lumbalpunktion die Dritte. ☺
Ich hatte einen wirklich netten Bettnachbarn, mit dem ich mich auf Anhieb super verstanden habe.
Eines
Morgens kam ich vom Bad zurück ins Zimmer und sah meinen Bettnachbarn
wild an seinen Elektroden rumzupfen. Er hatte einen Anfall. Einen
grossen Anfall :(
Natürlich
habe ich sofort meine Siebensachen auf die Seite geworfen und mich um
ihn gekümmert. Ihm geholfen. Ihn ins Bett zurück verfrachtet, mit ihm
gesprochen, ihn beruhigt, gleichzeitig alle Notfallknöpfe gedrückt und
war für ihn da, bis eine Schwester kam. Die dann allerdings nicht viel
getan hat ausser mir zuzugucken.
Vor
lauter Aufregung, für mich ist diese Sicht der Dinge schliesslich nicht
alltäglich, habe ich dann prompt selbst einen Anfall bekommen, auch
einen grossen Anfall, so wie mein Nachbar, scheisse!
Na super! Aber war ja klar!
Einen
Tag später bekam ich dann nach der ärztlichen Auswertung der
Videoaufzeichnungen, Monitoring bedeutet ja 24 Stunden Überwachung via
Kamera und Mikrofon, ein grosses Lob und ganz viel Dank. Von allen
Ärzten. Weil sie meine Hilfsversuche auf den Aufzeichnungen verfolgen
konnten, gesehen haben und begeistert waren. Weil sie noch nie jemanden
mit so viel Mitgefühl und ehrlicher Menschlichkeit haben helfen sehen.
Natürlich habe ich mich darüber riesig gefreut.
Wer wird schliesslich nicht gern gelobt!?
Andererseits
- meine Freundin macht genau das seit acht Jahren fast jeden Tag bei
mir und nicht nur einmal am Tag. Und irgendwie interessiert sich dafür
niemand so wirklich. Geschweige denn dass sie dafür gelobt wird. Wieso
auch!
Aber eigentlich ist es ja auch egal was sie tut. Denn wen sollte das genaugenommen überhaupt interessieren?
Wer sollte dafür sonst noch dankbar sein?
Ich sollte es. Und bin es natürlich auch!
Nur - ich krieg davon ja nichts mit. Schliesslich stecke ich in einem Anfall fest. Bewusstlos. Planlos.
Und sollte ich wirklich dankbar sein?
Das
klingt irgendwie böse. Aber ich will nicht falsch verstanden werden.
Ich bin dankbar! Und froh! Über jeden der mir hilft, jeden der mich
unterstützt, jeden der bei mir ist!
Aber
mal ehrlich und trotz allem - ich habe mir diese Krankheit nicht
ausgesucht. Ich kann einfach nichts dafür, dass ich an Epilepsie
erkrankt bin.
Und selbstverständlich will ich alles, nur keine Anfälle haben!
Natürlich
ist es toll, wenn mir geholfen wird und natürlich bin ich gerührt und
glücklich viele Menschen um mich herum zu haben, die für mich da sind!
Aber
einfach keine Epilepsie haben zu müssen und nicht dankbar sein zu
müssen für etwas, was ich so nicht bestellt habe, wär mir ehrlich gesagt
bedeutend lieber!
Hmmm...
schon kompliziert das Ganze. Ich glaube ich denk mal weiter darüber
nach und schreibe es euch dann wenn ich zu einem Schluss gekommen bin,
oder?