Selten, aber doch immer mal wieder, habe ich leichte Aussetzer. Nicht
im Sinne von verplant sein oder nicht mehr wissen, wie wo und was.
Gut, dass mit dem nicht so genau wissen habe ich auch manchmal. :) Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich habe manchmal einfach Austicker.
Kann aber nicht genau sagen warum. Und wieso. Und woher.
Ich
war immer schon ein wenig anders. Gut, das behauptet jetzt
wahrscheinlich auch jeder Zweite von sich selbst. Bei mir haben jedoch
Gegensätze schon immer eine grosse Rolle gespielt, geht es um meine
Persönlichkeit.
Ich kann unglaublich sensibel sein, weine gern mal
bei Doris Day Filmen mit, die meine Freundin so gern guckt, psssst -
nicht weitersagen, bin aber auch extrem empfindlich, und kann deshalb
total schnell in das absolute Gegenteil umschlagen.
Dann darf man
mich weder ansprechen noch kritisieren noch eine Diskussion mit mir
anfangen. Und noch schlimmer, wenn man mich dann nicht sein lässt, wie
ich nun mal bin. Dann krieg ich die Totalkrise.
Diese Eigenart steckt irgendwie schon immer in mir drin. Ich weiss nicht, woher das kommt.
Und leider wurde das durch meine Epilepsie nicht unbedingt besser.
Vor einigen Jahren musste ich ein Medikament nehmen, dass als Nebenwirkung Psychosen verursacht.
Nun bin ich sehr sensibel. Nicht nur als Mensch an sich, sondern auch körperlich. Auch wenn ich nicht danach aussehe.
Ich
reagiere unheimlich empfindlich. Bekomme meist die Nebenwirkungen, die
auf dem Beipackzettel ganz hinten als Kleingedrucktes unter extrem
selten stehen.
Deswegen hatte ich auch schon die eine oder andere
unschöne Diskussion mit dem einen oder anderen Arzt. Weil Dinge, die
nicht der Norm entsprechen und ziemlich selten bis gar nicht vorkommen,
einfach nicht existieren. Zumindest für so manchen Mediziner.
Die Standardantwort dann: "Das kann nicht sein, davon habe ich ja noch nie gehört."
Tja,
Beipackzettel lesen hilft. Und über den Tellerrand rausschauen manchmal
auch. Hat was mit Horizonterweiterung zu tun, ist aber auch ein anderes
Thema.
Jedenfalls hatte ich von besagtem Medikament
eine Psychose entwickelt, ohne es zu merken. Mein Umfeld ist fast
wahnsinnig geworden und ich habe nichts verstanden.
Im Nachhinein
wurde mir erzählt, ich hätte jeden angeschnauzt, der mir nichts wollte.
Selbst auf harmlose Fragen, ob ich auch einen Kaffee möchte, bin ich
wohl komplett ausgerastet.
Als ob ich mir meinen
Kaffee nicht selbst machen könnte, wenn ich einen wollte. Ob denn jeder
denkt, ich könnte mir keinen Kaffee selber machen. Und ganz davon
abgesehen entscheide ICH, wann und ob ich einen Kaffee will. Und den
mache ich dann auch so, wie ICH das will.
Das ist kurz, knapp, verständlich und alltagstauglich erklärt, was eine Psychose ist.
Etwas, was keiner verstehen kann. Und am wenigsten man selbst.
Das Medikament wurde natürlich sofort abgesetzt, die Psychose verschwand. Zur Erleichterung aller Beteiligten.
Was jedoch geblieben ist, ist die Veranlagung zum Überreagieren.
Und die hat nichts mit Medikamenten zu tun. Sondern mit der Gesamtsituation.
Denn manchmal ist mir einfach alles zu viel. Und dann kann ich nicht mehr.
Manchmal
wird mir einfach bewusst, das nichts mehr normal ist. Dass ich
behindert bin. Dass ich beeinträchtigt bin. Durch eine beschissene
Krankheit, die ich nie bestellt habe. Natürlich bestelllt sich niemand
eine Krankheit.
Aber zu wissen, dass man nichts mehr machen kann,
dass man nicht mehr der "Norm entspricht", dass man aussortiert wird,
dass man die einfachsten Dinge nicht mehr alleine machen kann, sich
nicht mal mehr einfach ins Auto setzen und eine Runde bei lautstarker
Musik auf der Autobahn entlang düsen kann, das ist hart. Vor allem, weil
man für all das, was einen einschränkt, absolut nichts kann.
Ich habe nichts gemacht, was irgendwie ursächlich für meine Epilepsie verantwortlich gemacht werden könnte.
Und doch habe ich sie.
Gestern hatte ich wieder einmal einen meiner "ich kann nicht mehr Austicker".
Wir haben uns nur einen Film angeschaut. Nicht mehr und nicht weniger.
Aber
selbst bei Filmen kann ich manchmal nicht einfach nur neutral davor
sitzen und mich unterhaltsam berieseln lassen. Ich ticke aus. Weil mich
der Protagonist aufregt. Die Geschichte unstimmig ist. Die Handlung
keinen Sinn macht. Oder mir einfach nur der Hauptdarsteller
unsympathisch ist. Und ich weiss nicht, wieso mich das so aufregt.
Es ist nur ein Film. Und der Typ im Film Schauspieler. Aber das blendet mein Hirn manchmal völlig aus.
Und
wenn dann noch von irgendwoher, meist natürlich von meiner Freundin,
eine harmlose Bemerkung kommt, dann ist das der berühmte Tropfen auf den
heissen Stein.
Peng. Tadaa. Abend versaut! Attacke!
Und
dann kommts meist dicke. Dann finde ich Argumente, von denen selbst ich
nicht wusste, dass sie existieren. Argumente gegen alles.
Dann
motz ich meine Freundin an, dass sie im Arbeitszimmer auf ihrer
Nähmaschine näht. Weil ich das Gefühl habe, sie näht nur, weil sie mich
kontrollieren will. Weil ich gerade am PC sitze, ebenfalls im
Arbeitszimmer. Dabei ist das ja Quatsch. Sie näht nur, wenn ich nicht
zuhause bin oder ich auch eine Beschäftigung habe. Weil sie genau weiss,
dass ich damit nicht klar komme, wenn sie was zu tun hat und ich nicht.
Und sie dann den ganzen Tag über nerve.
Aber das ist mir in diesen Momenten egal.
Dann bin ich ein Bulldozer und fahre einfach über alles drüber.
Ohne Rücksicht auf Verluste.
Abstellen
kann ich das alles nicht. Auch die Anfälle nicht. Ich kann nicht
weglaufen. Diese beknackte Epilepsiesache kommt immer mit. Hängt mir am
Rockzipfel.
Ich kann nur damit leben. Lernen. Es versuchen. Ab und zu verzweifeln. Und trotzdem irgendwie glücklich sein.